E-Mopeds in Österreich: illegal, legal oder egal?

Was auf Österreichs Radwegen erlaubt ist

In Europa gibt es eine Norm für elektromotorisch unterstützte Räder (EPAC), dazu zählen insbesondere Pedelecs und E-Bikes. Die dahinterliegenden Regeln werden europaweit mehr oder weniger gleich ausgelegt. Bis auf eine Ausnahme: Österreich. Hier dürfen E-Fahrzeuge mit bis zu 600 Watt Nennleistung, Gasgriff (also Fahren ganz ohne Treten) und über 50 Kilogramm Gewicht auf Radwegen unterwegs sein – ohne Helm, Kennzeichen oder Versicherungspflicht. Diese Fahrzeuge beschleunigen wie Mopeds, sind oft schwerer als Motorroller und nutzen dieselbe Infrastruktur wie Fußgänger:innen, Kinder und Alltagsradler:innen.

Zur Einordnung: Die sogenannte „Nennleistung“ beschreibt die maximale Leistung, die ein Motor dauerhaft abgeben kann, ohne zu überhitzen. Ein Motor mit 600 Watt Nennleistung ist damit mehr als doppelt so stark wie der EU-Grenzwert für reguläre Pedelecs (250 W). Das wirkt sich direkt auf Tempo, Beschleunigung und Unfallfolgen aus.

Warum sind E-Mopeds überhaupt erlaubt, obwohl sie keine Pedale haben?

Hier liegt der Kern der Problematik: In Österreich gibt es eine rechtliche Grauzone, in der bestimmte voll-motorisierte Fahrzeuge – auch ohne Pedale – als "Elektrofahrräder" zugelassen werden, solange sie 600 Watt Nennleistung und 25 km/h nicht überschreiten. Laut § 88b Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO 1960) ist “das Fahren mit elektrisch betriebenen Klein- und Minirollern mit einer höchsten zulässigen Leistung von nicht mehr als 600 Watt und einer Bauartgeschwindigkeit von nicht mehr als 25 km/h auf Fahrbahnen, auf denen das Radfahren erlaubt ist, zulässig”.

Das bedeutet: Auch Fahrzeuge, die aussehen wie klassische E-Mopeds, aber offiziell nur 25 km/h fahren, gelten de facto als Fahrrad – inklusive aller Privilegien: Nutzung von Radwegen, keine Versicherungspflicht, kein Helm, keine Zulassung. Diese Sonderregelung macht Österreich zum Ausreißer in Europa. Während andere Länder E-Mopeds strikt als versicherungspflichtige Kleinkrafträder einstufen, reicht in Österreich der Verzicht auf Geschwindigkeit und die richtige Einordnung beim Verkauf, um Moped-typische Fahrzeuge legal auf den Radweg zu bringen.

E-Mopeds im Lieferverkehr

Schätzungen zufolge sind in Österreich derzeit rund 4.000 bis 5.000 Fahrradkuriere unterwegs – viele davon für Plattformen wie Lieferando, Foodora oder Wolt. Für sie bieten E-Mopeds klare Vorteile: Sie sind schneller als Fahrräder, wendiger als Autos, benötigen keine Zulassung oder Versicherung und dürfen – zumindest in Österreich – legal auf Radwegen fahren. Gerade bei langen Strecken, Zeitdruck und schlechtem Wetter sind sie eine verlockende Option. Mit dem klassischen Bild eines Fahrradkuriers hat das allerdings oft nicht mehr viel zu tun.

Österreichs Sonderweg im EU-Vergleich

Während Länder wie Deutschland, Frankreich, Belgien oder die Niederlande klare technische Regeln für E-Bikes vorgeben – 250 Watt max., Tretunterstützung statt Gasgriff, Tempolimit 25 km/h –, erlaubt Österreich deutlich mehr. In anderen Ländern wäre ein 600-Watt-Moped auf Radwegen schlicht illegal – dort gilt: elektrische Unterstützung nur zusätzlich zur Muskelkraft. In Österreich reicht hingegen ein Pedal – oder auch keines –, um das Fahrzeug als Fahrrad zu klassifizieren. So entsteht eine rechtliche Grauzone, die andere EU-Staaten längst geschlossen haben.

Zunehmende Risiken auf den Radwegen

Die Auswirkungen sind spürbar: Immer mehr dieser Fahrzeuge mischen sich unter reguläre Radfahrer:innen – schneller, schwerer und leise. Viele lassen sich mit einfachen Mitteln auf 40 bis 50 km/h tunen. Eine Messung der Stadt Wien ergab: Über 50 % der gemessenen E-Mopeds fuhren schneller als 26 km/h, 15 % sogar über 34 km/h. 

Akku-Brände und fehlende Sicherheitsstandards

Ein weiteres Risiko wird oft übersehen: Brände durch minderwertige Akkus. Laut dem niederländischen Versicherungsverband VvV waren im Jahr 2023 5 % aller Hausbrände auf Batterien zurückzuführen – ein Anstieg gegenüber 3 % im Vorjahr. Rund 40 % dieser Batteriebrände entfielen auf Akkus in E-Bikes und E-Mopeds. In London wurden im Jahr 2023 180 Brände durch E-Bike- oder E-Scooter-Akkus gemeldet – ein Anstieg um mehr als 60 % gegenüber dem Vorjahr. Auch aus den USA gibt es alarmierende Zahlen: In New York City allein wurden im Jahr 2023 über 250 Brände durch Lithium-Ionen-Akkus von E-Bikes, E-Mopeds und Scootern gemeldet – mit teils tödlichen Folgen. Die Feuerwehr spricht dort von einem "epidemischen Problem".

Hinzu kommt: E-Mopeds verfügen oft über deutlich größere Akkukapazitäten als herkömmliche E-Bikes. Während ein stärkeres Pedelec mit rund 672 Wattstunden-Akkus betrieben wird, haben E-Mopeds teils Akkus mit bis zu 3744 Wattstunden – eine Leistungssteigerung von über 450 %. Damit steigt nicht nur die Reichweite, sondern auch das Brand- und Explosionsrisiko erheblich. Viele der in Österreich genutzten E-Mopeds unterliegen zudem keinen zertifizierten EU-Sicherheitsstandards wie UN 38.3 oder EN 15194.

Lieferando-Kündigungen verschärft Entwicklung

Ein zusätzlicher Treiber: Lieferando hat bekanntgegeben, allen FahrerInnen in Österreich zu kündigen. Rund 600 Kuriere, die bisher mit firmeneigenen E-Bikes ausgestattet waren, müssen sich nun selbst um ihre Ausrüstung kümmern. Viele werden sich für E-Mopeds entscheiden – es wird also voraussichtlich bald noch enger auf Österreichs Radwegen.

Wien macht Druck – aber einheitliche Regeln fehlen

Die Stadt Wien hat inzwischen Position bezogen. Mobilitätsstadträtin Ulli Sima und Verkehrsplaner Harald Frey (TU Wien) haben gemeinsam mit der Mobilitätsagentur ein Positionspapier vorgelegt. Gefordert werden: Ein Verbot für voll-motorisierte Fahrzeuge auf Radwegen, ein Gewichtslimit von 60 kg, ein Tempolimit von 20 km/h sowie neue Prüfverfahren, um Regeln auch kontrollieren zu können. Bisher wurde jedoch nichts davon umgesetzt. 

Auf Nachfrage von CYCLE bei der Stadt gibt es bisher “noch keinerlei größeres Update hinsichtlich etwaiger geplanter Gesetzesänderungen oder Änderungen von Vorschriften hinsichtlich der Regulierung der kennzeichenlosen E-Mopeds”. Das Thema liege jetzt im Kabinett des neuen Verkehrsministers, Peter Hanke. 

Fazit: Zeit für klare Entscheidungen

Österreich riskiert mit seiner derzeitigen Gesetzeslage nicht nur die Sicherheit auf Radwegen, sondern auch einen Verlust an Vertrauen in eine moderne, nachhaltige und gerechte Verkehrspolitik. Die aktuellen Regelungen sind so weitreichend ausgelegt, dass Billigprodukte aus China die Verkehrslandschaft zunehmend verändern, zum Nachteil von Fahrradfahrer:innen und Fußgänger:innen.

Während andere Länder längst klare Grenzen gesetzt haben – etwa bei Motorleistung, Gewicht, Bauweise oder Versicherungspflicht –, hinkt Österreich hinterher und überlässt wichtige Fragen dem Markt oder der Eigenverantwortung der Nutzer:innen. Doch in einem verdichteten urbanen Raum wie Wien ist Eigenverantwortung allein nicht genug – es braucht eine funktionierende, klare und überprüfbare Regulierung, die alle schützt.

Was es jetzt braucht, ist eine Korrektur politischer Fehlentscheidungen der Vergangenheit: 

  • ein Verbot für voll-motorisierte Fahrzeuge auf Radwegen
  • Versicherungs- und Führerscheinpflicht für E-Mopeds ab 20 km/h
  • ein realistisches, messbares Gewichts- und Leistungs­limit
  • Technische Mindeststandards, inklusive Sicherheitsprüfungen für Akkus